Hundebesitzer haben mehr davon….

Aus dieser Serie für einmal kein tolles Bild von Sonnenauf- oder -untergang, sondern die Geschichte einer Begegnung. Sonntagmorgen, unchristliche Zeit, kurz nach 0800h, Kantonsspital Winterthur. Ich parkiere das Auto davor, stiefle in gut gepolsterten und gefütterten Latzhosen, mit Skiunterwäsche und Erics Sorel-Stiefeln „Wurst-in-der-Pelle“-gleich durch die menschenleere Eingangshalle. Dochdoch, zwei Angestellte huschen im weissen Gewand an mir vorbei in Richtung Notfallaufnahme, der Portier gähnt auf die Überwachungsvideos, selbst der Kiosk ist noch geschlossen.

Ich plündere den Bankomaten und sehe beim Weggehen, wie eine jüngere Frau, etwa 30 Jahre alt, mit fröhlichen Knopfaugen und einem dunklen Wuschelkopf an zwei Stöcken aus der Notfallstation in Richtung Ausgang humpelt. Drei Schritte, ein schmerzverzerrtes Gesicht. Sie bleibt stehen, strahlt mich an, humpelt weiter.

Die Schiebetür öffnet sich. „Kannst Du mir helfen? kannst Du mir das Telefon aus dem Rucksack nehmen?“ Sie humpelt auf mich zu, das Bein schmerzt offensichtlich. „Weisst Du, ich habe gestern zuviel gesoffen, drum bin ich hier!“

Ich frage nach dem wohin und schlage vor, sie gerade mitzunehmen und auf meinem Weg zu einem Hunde-Event abzuladen. Sie strahlt über das ganze Gesicht. „Das würdest Du wirklich tun? ich kann aber nicht schnell gehen!“.

Sie humpelt zum Ausgang, ich fahre derweilen das Oranginli vor. „Da darf ich wirklich einsteigen? Du nimmst mich einfach mit?“. Sie steigt ins Auto. Der Schmerz verzerrt das hübsche und fröhliche Gesicht für einen Moment. „Es war toll, aber zu viel. Wenigstens für einen guten Zweck“.

Wir fahren los. „Au cool, Johnny Cash – hätte ich nicht erwartet von Dir. Du hast einen guten Musikgeschmack“. Das Lied passt ausgezeichnet, denke ich bei mir…

Well, I woke up Sunday morning
With no way to hold my head that didn’t hurt.
And the beer I had for breakfast wasn’t bad,
So I had one more for dessert.
Then I fumbled in my closet through my clothes
And found my cleanest dirty shirt.
Then I washed my face and combed my hair
And stumbled down the stairs to meet the day.
Lyrics by Kris Kristofferson

Wir fahren durch die menschenleere Stadt. -6°C. Sie erzählt von ihrer Arbeit auf dem Bau („das wird wohl nix mit dem kaputten Meniskus und den gezerrten Bändern nächste Woche“), von anstehenden Umzug, von ihrer Tochter. „Aber weisst Du, ich habe ein gutes Leben, da darf man auch ein wenig trinken!“

Vor der Haustüre liefere ich sie ab. Sie strahlt. „Es geht mir gut und Du hast mich einfach so nach Hause gebracht!“. Sie kriecht mit viel Mühe aus dem Auto, lässt sich von mir den Rucksack anhängen, verabschiedet sich und fällt mir um den Hals. „Ich liebe Dich!“ und humpelt zum Haus. „Bis meine Tochter kommt, bin ich wieder ausgenüchtert!“

 

Über Tina

Staatlich unzertifizierte, altmodische und pädagogisch wenig wertvolle Kinder- und Hundebändigerin mit Hang zum Chaos. Und Liebe zum Mann, zum Chaos und zur Nähmaschine.
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